Seins Fiction!

zwischen Sein und Fiktion

oder:

die Fiktion des Seins

Seins Fiction:

Wir denken, leben, gestalten und schreiben im Spannungsfeld zwischen Sein und Fiktion, zwischen dem, was unzweifelhaft real ist, existiert, atmet, wächst, lebt und ist und dem Möglichen, dem noch nicht Seienden, dem Gedachten, Erdachten, Ausgemalten, nicht mehr Seienden, nie Werdenden, dem Erträumten, Fabulierten und Erzählten. Wir untersuchen die Beziehungen in diesem Spannungsfeld, wir nutzen es als Spiegel und vertauschen die Seiten, wir leben die Geschichten und erzählen das Leben.

Seins Fiction!

Wir leben die Geschichten und

erzählen das Leben.

Eniwetok. Die Flucht

Eine Sammlung von Kurzgeschichten, die sich vom gewöhnlichen Allerlei absetzt. Die dreizehn Scifi-Storys stellen der oft gelesene Oberflächlichkeit und Stereotypie des Genres verspielte Phantastik, Schalk und Tiefsinn entgegen:

Ein Spießer-Ehepaar wird von einem Alien besucht; ein Raumfahrer findet in der weiten Leere des Alls nur sich selber. Ein Sterbender muss sich zwischen Tod und ewigem Leben entscheiden. Ein Arzt wird vor die Frage gestellt, ob es legitim sei, für die Rettung der Kolonie ein Dutzend Kinder zu opfern. Ein entflohener Sträfling aus den Minen Titans landet bei seiner Flucht auf einem entstellten Stück Erde und begegnet dem Geist des Ortes.

Teils humorvoll, teils philosophisch und immer unterhaltend auf hohem Niveau erzählt, verführt der Autor den Leser, gewisse Dinge unter ganz neuen Aspekten zu betrachten.

Marianne Labisch

Plug and Play

Die Welt der Zukunft ist steril.

Es mag einmal gute Gründe für die Seuchengesetze gegeben haben: Vor langer Zeit bedrohte ein mutiertes Norovirus die gesamte Menschheit. Aber die Katastrophe ist längst überstanden. Die Verhaltensregeln aus der vergangenen Epoche sind obsolet geworden, trotzdem werden sie in Gesetzen und Wertvorstellungen weiter tradiert.

Plug and Play ist die Geschichte eines Menschen, der gegen die Regeln verstößt und durch sein Vergehen zum Rebellen wird..

Nur das Beste

FuturICT wurde 2012 als eines der fünf FET-Flagship- Projekte bei der EU eingereicht und bewarb sich um den Förderbeitrag von einer Milliarde Euro. Die Forscher starteten mit dem Anspruch, restlos alle anfallenden Daten auszuwerten, um eine wissenschaftlich fundierte Prognose über die Zukunft vom Planeten Erde und der Menschheit zu erstellen. »Wir modellieren Szenarien auf bestimmten Ebenen der Abstraktion und Granularität und beantworten dann, aufgrund von Was-wäre-wenn-Fragen, die Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung.« Der Ansatz hat mich fasziniert, und ich wollte mit eigenen Augen durch diese Brille einige Jahre in die Zukunft blicken:

In einer postapokalyptischen Welt steht eine Kolonie vor einer schwierigen Entscheidung. Nur wenn es gelingt, den Kontakt zu den nördlichen Zellen herzustellen, bleiben die Überlebenschancen intakt. Eine Gruppe Wissenschaftler berechnet, dass die Aussichten am besten stehen, wenn eine Schar Kinder losgeschickt wird. Die Hochrechnungen weisen aber auch auf die geringe Wahrscheinlichkeit eines Erfolges hin: Bestenfalls würden nur wenige Kinder den Norden erreichen.
Nelles der Arzt ist entrüstet. Für ihn ist völlig inakzeptabel, Kinder für das Wohl der Allgemeinheit in den Tod zu schicken. Schafft es Nelles, die Kinder zu schützen? Sich gegen die Macht von Logik und Vernunft des berechneten Szenarios, gegen Simulation und Prognose zu stellen?

(FuturICT strich übrigens die Milliarde nicht ein. Zum Zuge kam Markrams Human Brain Project, das das menschliche Hirn mittels computerbasierten Modellen und Simulationen nachbilden will. Aber das ist eine andere Geschichte …)

Paket Eternity

Seitdem sich mehr Techniker und Ingenieure als Philosophen und Mystiker mit dem Tod beschäftigen, bedeutet dysfunktionales Protoplasma nicht mehr prinzipiell das Ende menschlichen Bewusstseins. BCC, die Brain Copy Corporation, bietet diverse Pakete an, um vor dem Tod ein Back-up der Persönlichkeit auf Festplatten zu spielen.

Der alternde, krebskranke Renner erkundigt sich bei BCC vor Ort über die diversen Möglichkeiten der Transformation. Eigentlich wird von ihm erwartet, für seinen physischen Abgang die digitale Gruft zu wählen: Für Familie und Gesellschaft ist es die angenehmste und eleganteste Form von palliativer Fürsorge. Renner ist skeptisch. Er spricht mit einem Geistlichen, begegnet einer transformationswilligen Dame, spricht mit seinem PDA, dem persönlichen dignitalen Assistenten.

Wird sich Renner den Erwartungen beugen, oder wird er seiner Frau folgen, die es vorgezogen hatte, sich vor einen Transporter zu werfen?

Das Schicksal der Fliege

Ein Mann schreckt jede Nacht aus demselben Traum hoch: Er steht in einer öffentlichen Toilette mit blutverschmierten Händen am Waschbecken. Im Spiegel sieht er die Hand einer toten Frau neben der Kloschüssel. Dreizehn Mal hat er sie bereits umgebracht, auf immer andere, zunehmend bestialischere Weise.

Dreht er durch?
Wird sein Gehirn manipuliert?

Die Geschichte spielt vor dem vierzehnten Mord, in der Nacht auf Montag. Er versucht, die nächtliche Geisterfahrt zu umgehen und hält sich wach. Er kämpft gegen den Schlaf und die innerene Dämonen, schildert die bisherigen Ereignisse. Es wird Morgen – geschafft! Erleichtert macht er sich auf den Weg zur Arbeit.

Die Euphorie über den Etappensieg schwindet in dem Moment, als ihn eine Kundin auffällig an sein nächtliches Opfer erinnert. Unerbittlich bahnt sich das Schicksal seinen Weg. Die Schlinge zieht sich zu, bis er mit der fremden Frau in der unbekannten Toilette steht …

Huhn oder Ei

Ein grundsätzliches Problem für Raumfahrtgeschichten besteht darin, dass Reisen durch den Deep Space endlos lang und grenzenlos langweilig sind. Am besten legt man sich Schlafen. Man läuft kaum Gefahr, im großen Nichts eine Attraktion zu verpassen.
Wie erwartet verläuft die erste Etappe ereignislos und handlungsarm − bis der Pilot des Raumfrachters geweckt wird und auf seinem Schiff ein mysteriöses Wesen herumgeistert.

Es findet eine Begegnung der unheimlichen Art statt, die Vorkommnisse beginnen sich zu überstürzen, sein Verstand wird unerbittlich auf die Probe gestellt. Er trifft auf sich selbst − und das ist alles andere als lustig.

Goodbye Karasov

Karasov ist ein abgehalftertes Ekel. Ein überheblicher, arroganter alter Mistkerl, der auf die Welt spuckt und alles mit seinem Sarkasmus überzieht. Unter der Woche jobbt er als Pornodarsteller, leiht dem Drahtgitter eines digitalen Amors seine Bewegungsmuster, daneben hängt er seinen Vergnügungen nach und dealt mit Synapsensteckern. Die Wochenenden verschläft er und lümmelt in seinem Strandhaus herum, beobachte hinter den runtergelassenen Jalousien das fröhliche Strandleben, ernährt sich aus einem stinkenden, gammelnden Kühlschrank.
Er holt sich einen jugendlichen Stricher ins Haus. Der holografische Festkörper-Ikonoplast ist ein zarter, romantischer Junge voller Träume − und entpuppt sich als Psychogramm des jugendlichen Karasov.

Der junge Idealist trifft auf den alten Zyniker und kann nicht verstehen, was das Leben aus ihm machen wird …

Unerwarteter Besuch

Ist das Universum chaotisch oder wohlgeordnet?

In der Geschichte wird diese Frage nicht abschließend erörtert – aber immerhin erfahren wir, warum Frau Bertrand felsenfest davon überzeugt ist, dass der Schöpfer aus Bayern stammt.

Zipper

Robert Graves Frau ist am Meditieren, die Kinder schlafen bei Oma. Der Strohwitwer ist gerade mit Putzlappen und Sauger unterwegs, um sich auf die Heimkehr seiner Lieben vorzubereiten, als es an der Tür klingelt. Auf der Matte steht eine triefend nasse, junge Frau. Eine Agentin auf der Flucht. Was führt die Fremde im Schild, warum hat sie ausgerechnet bei Robert geklingelt?

Innerhalb der folgenden Stunde soll nicht die Wohnung gekehrt, sondern Roberts Leben umgekrempelt werden: Wie ein Wirbelwind fährt die Agentin in die Wohlgeordnetheit seiner Existenz und die ganze Beschaulichkeit wird hinfortgefegt.

Eine Geschichte – dank der Zeitmaschine im Bauch der Agentin – mit variablem Ende und frei wählbarer Katastrophe.

ENIWETOK. Die Flucht

11° 20′ 33″ N, 162° 19′ 50″ O:
Das sind die Koordinaten, wo der ganze Wahnsinn menschlicher Vermessenheit kumuliert: Weltkrieg, Atombombe, Klimakatastrophe …

Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts nannte James Graham Ballard diesen Fleck Erde das Auschwitz der Seele. Zweihundert Jahre später flüchten drei Sträflinge aus den Minen Titans und stürzen über dem Pazifik ab. Einer überlebt – und strandet als Schiffbrüchiger auf dem kargen Eiland. Die Schwerkraft zehrt an den Gliedern, das gleißende Licht malträtiert seine Augen. Er schleppt sich vorwärts durch Zeit und Raum, immer geradeaus, auf der Flucht vor der Vergangenheit. Zunehmend bricht sein Verstand weg, wahnhaft schieben sich Erinnerungen über die Gegenwart. Er begegnet dem Geist des Ortes …

Abgeschlossene Handlung

Ein Geschäftsreisender ersteht in Hongkong bei einem Trödler zwei kleine Objekte. Die Filmdose mit dem Schalter und das Kästchen mit dem Filmstreifen sollen sein »Museum der handgroßen Dinge« zieren. Er könnte nicht exakt erklären, was ihn zum Kauf bewog: Die Gegenstände sind weder besonders schön, noch versteht er deren Zweck.

Später weiß er aber umso genauer, warum er sie schnellstmöglich entsorgen muss …

Return

Zwei Flüchtlingskinder sitzen vor einem Beamten der Einwanderungsbehörde. Es gelingt ihm nicht, die verstockten Kinder zum Sprechen zu bringen. Seine Kollegin übernimmt. Da geschieht etwas Unerwartetes …

Nicht immer läuft alles auf eingefahrenen Bahnen und in der eingeschlagenen Richtung ab.

Diese Geschichte bietet einen Kippmoment, aber keine Konklusion.

Urlaub von der Zukunft

Ein Ehepaar – sie Ärztin, er Verfasser von Scifi-Heftromanen – fährt nach Griechenland in den Urlaub. Unterwegs zum Ferienresort kommen sie von der Route ab. Orientierungslos gondeln sie durch die Berge, treffen am Abend auf eine mysteriöse Pension.